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Burgforum zum Thema "Gott um Gott bitten – und ums tägliche Brot?"



Am vergangenen Mittwoch referierte Prof. em. Dr. Jürgen Werbick im Rahmen eines Burgforums zum Thema „Gott um Gott bitten – und ums tägliche Brot?“ über das Vaterunser. Prof. Dr. Werbick ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie an der Universität Münster und hat im vergangenen Wintertrimester vertretungsweise hier am Studienhaus die Gotteslehre gelesen.


Am Anfang seines Vortrags wies der Referent zunächst darauf hin, dass der Text des Vaterunsers aus einer ganz anderen und vor allem auch fremden Welt und Zeit stammt. Aber es ist ein Gebet Jesu, daher sollten wir diesen Text annehmen und uns mit ihm beschäftigen. Vieles erscheint uns in dem Text so fremd, dass wir es häufig einfach hinnehmen, ohne uns tiefergehende Gedanken zu machen. Er stellte zunächst die Frage, ob wir Gott wirklich um das tägliche Brot bitten dürfen. Dieses ist einerseits existenziell, andererseits aber auch sehr banal. Mystiker wie Meister Eckhart zum Beispiel sagen, dass die einzige richtige Bitte an Gott sei, um seine Gegenwart zu bitten. Ohne diese Frage abschließend zu beantworten, ging er erstmal auf zwei andere Bitten des Vaterunsers ein.


Prof. Werbick wies darauf hin, dass hinsichtlich der Bitte „dein Reich komme“ in Israel eine reale Vorstellung eines neuen Zeitalters mit einer realen Gegenwart Gottes existierte. Er deutete für uns und unsere Zeit diese Bitte aber dahingehend, dass Gottes Herrschaft dort ist, wo sich Menschen konkret auf den Weg der Nachfolge Gottes machen. Gott will seine Herrschaft nicht ohne uns Menschen aufrichten, daher müssen, dürfen und sollen wir alle unsere je eigene Berufung leben.


Über die Bitte „geheiligt werde dein Name“ kehrte er dann zur Ursprungsfrage zurück. Zunächst wies der Referent jedoch darauf hin, dass hier immer noch der Name Gottes im Alten Testament mitschwingt. Dieser lautet nach der Selbstoffenbarung Gottes gegenüber Mose „Ich bin für euch da“. Die Bitte um das tägliche Brot hat einen Anklang an das Manna der Wüstenwanderung des Volkes Israel. Hier ging es immer um das täglich neue Brot, das alte vom Vortag wurde ungenießbar. Für die ersten Christengenerationen kann diese Bitte zwei Bedeutungen gehabt haben. Zum einen die ganz reale Bitte um das tägliche Brot, da die Boten Jesu keine Zeit für den Ackerbau hatten. Sie waren unterwegs, um die frohe Botschaft zu verkünden und waren auf fremde Hilfe angewiesen. Zum anderen aber auch die mentale Stärkung: Die ersten Christen waren noch davon ausgegangen, dass Jesus zu ihren Lebzeiten wiederkommen würde. Nun war die erste Generation schon verstorben und die zweite Generation alt geworden. Aber der Herr war noch nicht wiedergekommen. Es war eine Bitte um das Überleben in einer gefühlten Wüste der Unsicherheit. Es war eine Bitte um Glauben, Kraft und Mut zum Überleben in der Zeit des Wartens.


Auch hier stellte er wieder einen Gegenwartsbezug her. Insbesondere der letzte Gedanke gilt auch für uns. Wir können Gott darum bitten, nicht zu verzweifeln angesichts der Verhältnisse in der Welt und der noch ausstehenden Wiederkunft Christi. Wir dürfen ihn um Motivation bitten, unsere eigene Berufung zu leben. Ohne Gott sind wir hilflos in der Wüste des Alltags. Wir brauchen seine Hilfe, seinen Zuspruch, um zum Samen für die Gottesherrschaft zu werden. Denn die will Gott ja nicht ohne uns Menschen aufrichten.

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